Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren!


Eigentlich könnte ich heute meine Rede vom vorigen Jahr zum gleichen Anlass halten; denn faktisch hat sich nichts geändert, außer dass nun auch offiziell auf den KSK-Einsatz in Afghanistan verzichtet wird. Aber sonst? Wie ein Mantra wiederholen die Juristen der Bundesregierung seit sieben Jahren eine falsche Behauptung, die Behauptung, dass die Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen 1368 und 1373 die Bundesregierung und die NATO angeblich ermächtigten, bei der Bekämpfung des Terrorismus militärische Gewalt anzuwenden.

Das wird auch durch noch so viele Wiederholungen nicht wahrer. Mit einer solchen Begründung würden die Hausjuristen der Bundesregierung mit Pauken und Trompeten durch jede Staatsprüfung fallen.

Sie berufen sich immer wieder darauf, dass in den Präambeln der beiden Resolutionen das Recht auf Selbstverteidigung bekräftigt wird. An dieser Stelle der Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates hat das dieselbe Relevanz für das Handeln der UNO-Mitglieder, als wenn dort die Formulierung stünde, dass das schöne Wetter begrüßt werden würde.

Entscheidend ist einzig und allein, was der Sicherheitsrat in den Beschlussteilen anordnet, und das ist eindeutig und glasklar. Um ein Zitat von Herrn Fischer aus dem Jahre 1994 abzuwandeln: Ich wundere mich nicht zum ersten Mal, wie sich die Mehrheit hier im Parlament seit Jahren an der Nase des Rechtes auf militärische Selbstverteidigung in den globalen Krieg gegen den Terrorismus hineinführen lässt.

Nicht ein einziges Wort ist dort zu finden, das sich auch nur im Entferntesten als Militäreinsatz interpretieren ließe. Dort steht vielmehr die Aufforderung zur Zusammenarbeit, um Verantwortliche und Hintermänner der Terroranschläge vom 11. September 2001 vor Gericht zu bringen und den Terrorismus mit politischen, polizeilichen, gesetzgeberischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Mitteln auszutrocknen.

Auch die Ausrufung des NATO-Bündnisfalles vom 4. Oktober 2001 führt die Bundesregierung wieder als Rechtsgrundlage für den OEF-Einsatz an. Das war nichts anderes als eine Selbstermächtigung zum Kriegführen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Sicherheitsrat bereits die zivilen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus beschlossen. Damit war das Recht auf militärische Selbstverteidigung nach Art. 51 der Charta der UNO für den vorliegenden Fall ein für alle Mal beendet. Dies hatte er mit den Resolutionen 1368 und 1373 getan. Ich stelle somit fest, dass sich Bundesregierung und Parlamentsmehrheit nicht an Recht, Grundgesetz und Völkerrecht halten wollen.

Das war vor der sogenannten Normalisierung und der Enttabuisierung des Militärischen in unserem Land einmal anders. Da galt noch Zitat :
Wir Deutschen haben angesichts unserer Geschichte im 20. Jahrhundert gute Gründe, mit eigener Beteiligung an militärischen Interventionen zurückhaltend zu sein.
Das Zitat ist von Helmut Schmidt und in der aktuellen Ausgabe der Zeit nachzulesen.

Wer mitten im Glashaus sitzt, der sollte übrigens nicht mit Steinen werfen. Mit welcher moralischen Autorität will der Finanzminister eigentlich die Schweiz in die Nähe von Schurkenstaaten rücken, indem er das Land auf die schwarze Liste der OECD setzen lassen will? Das ist kein Witz. Diese Äußerung ist gemacht worden. Etwa mit der moralischen Autorität der Bundesregierung, die den usbekischen Geheimdienstchef in Deutschland nach dem Motto empfängt aber er ist unser Schweinehund, Herrn Inojatow, der die Islamische Dschihad-Union erfunden hat, damit der Bundesregierung die Begründungen für den Krieg gegen den Terrorismus nicht abhanden kommen und Herrn Schäuble nicht die Gründe zur Verschärfung der Sicherheitsgesetze und der Vermengung von innerer und äußerer Sicherheit?

Ich rate Ihnen: Verstecken Sie Ihre machtpolitischen Ambitionen nicht länger hinter der fadenscheinigen Begründung, es gehe bei OEF um Terrorismus; denn dazu müssen Sie ständig das Recht beugen. Das wird Ihnen eines Tages bitter aufstoßen garantiert.


Der Einsatz der Marine am Horn von Afrika zeigt doch exemplarisch auf, dass es um alles andere als um Terrorbekämpfung geht. Seit Jahren ist Ihnen nicht ein einziger Fang gelungen. Das ist auch verständlich bei der Jagd nach Phantomen. Geben Sie einfach zu, dass es Ihnen um die Sicherung einer der wichtigsten Seestraßen der Welt geht und um nichts anderes. Dann könnten wir hier im Bundestag endlich eine Debatte führen, die schon seit Jahren überfällig ist und auf die unsere Bevölkerung einen Anspruch hat: Welche Rolle soll und darf die Parlamentsarmee Bundeswehr im Rahmen einer an Recht und Verfassung ausgerichteten Außen- und Sicherheitspolitik spielen?


Vielen Dank.
zurück

Rede von Gert Winkelmeier im deutschen Bundestag: